KIRCHENMUSIK KIRCHBARKAU - PROJEKTE
Katharina von Alexandrien

Oh wie selig seid ihr doch, ihr Frommen -

das Katharinen-Konzert und Projekt am 06. Oktober 2007 in Kirchbarkau




Neunzehn evangelische Kirchen in Nordelbien tragen den Namen der heiligen Katharina von Alexandrien. Eine von ihnen ist die St.-Katharinen-Kirche in Kirchbarkau. In zahlreichen weiteren sakralen Räumen finden sich Darstellungen der Märtyrerin, Szenen ihres Lebens, Heiligengruppen und Schnitzaltäre. So wird vielleicht auch eine der beiden Frauengestalten im Flintbeker Altar die nach Maria beliebteste Heilige des Mittelalters darstellen.

So lag es nahe Katharina, die uns bis heute freundlich und unaufdringlich begleitet, in den Mittelpunkt eines geistlichen Konzerts zu stellen, in dem in Texten und Musik ihre Geschichte erzählt wird. Die meisten Menschen wissen über sie wenig mehr zu sagen, als dass sie zu den vierzehn Nothelfern gehört, die Schutzheilige der Wissenschaften ist und als Attribute Schwert, Rad und Krone trägt. Oftmals wird sie auch mit ihrer Namensschwester Katharina von Siena verwechselt, obwohl sich deren Kult erst in den letzten 150 Jahren ausgebreitet hat.

KatharinaKatharina

Katharina soll etwa 311 das Martyrium in Alexandrien, einem der fünf Patriarchensitze der antiken Welt, erlitten haben. Allerdings finden sich erste bildliche Darstellungen der Heiligen erst ab 700 und dazu weit entfernt unter der Kirche San Lorenzo fuori le Mura in Rom. Schriftliche Zeugnisse ihres Lebens sind sogar noch jüngeren Datums, gehen aber vielleicht auf eine Art Urlegende aus dem griechischen Bereich (6./7. Jh.?) zurück. Die vielleicht beste Gesamtdarstellung dieser Zusammenhänge bietet augenblicklich die Münchner Dissertation von Peter Schill aus dem Jahre 2005 zur Ikonographie der Heiligen Katharina.

Hypatia

Die Geschichte Katharinas weist einige parallele Züge zu der einer anderen Alexandrinerin, der Philosophin Hypatia auf, die hundert Jahre später, nämlich im Jahre 415 Opfer eines Machtkampfes zwischen Bischof und kaiserlichem Statthalter wurde. Gleichzeitig beendete der Tod Hypatias für die einstmals weltoffene Metropole das Zeitalter der Antike und machte sie zur Avantgarde des Mittelalters, lange bevor der letzte Kaiser 476 in West-Rom resignierte. Katharina und Hypatia sind hochgebildete, selbstbewusste, persönlich anziehende Frauen, die unter anderem durch ihre Würde und einen untadeligen Lebenswandel ihre Mitwelt faszinieren. Sie sind Töchter bedeutender Väter und sich ihrer Herkunft bewusst. Beide haben keinerlei Scheu, Männern gleichberechtigt gegenüber zu treten, ja sogar als Lehrerinnen von Gelehrten zu wirken. Beide finden aber auf ihrem Weg gerade auf Grund ihres glänzenden Wesens tödliche Feinde und ein überaus grausames Ende. Es ist nicht unmöglich, dass die Berichte über Hypatia in den historiographischen Werken der Zeit den Mönch, der die Katharinenlegende aufschrieb, so stark beeinflusst haben, dass er seine ideale Heilige mit einigen Hypatia-Zügen ausstattete.

Die Musik

vollzieht den Weg der beiden Frauen mit. Auf die Auferstehungshoffnung der ersten Reger-Kantate folgt die in einer immensen Geistesleistung wurzelnde polyphon achtstimmige Motette Andrea Gabrielis. Als erster mittelalterlicher Katharinen-Hymnus in der musikalischen Gestalt des Vokalsatzes der vierten Weihnachtsoratoriumskantate von J.S. Bach erklingt ein auf Katharina fortgedichtetes „Pange lingua", das vermutlich wie das später folgende „Presens dies" und die gesammten „Carmina Burana" aus Seckau in der Steiermark stammt. Die gewaltige und dabei zutiefst humane Passacaglia c-Moll verbindet die beiden Teile des Konzerts (Orgel: Andreas Liebig). Ihr stetig wieder dem Ausgangspunkt zustrebendens Bassostinato ist wie das Sinnbild des sich stets erneuernden Lebens. Der erwähnte Bachsatz „Presens dies" leitet das Ende der beiden Protagonistinnen ein, wobei sein Text noch einmal die gesamte Katharinenlegende in mittellateinischen Versen wiederholt. Josquin Desprez innige sechsstimmige Motette hält für einen Moment am Ende die Zeit an, bevor Max Reger mit einem Dialog der Christen auf der Erde mit Katharina und den anderen im Himmel zum hymnischen Schlussgesang anhebt.

Ingo Warnkes

Installationen in den Kirchen, die Musik der Sänger und Instrumentalisten und die Texte ergänzen sich in dem Bestreben, die notwendigen Irritationen der jeweils anderen Ausdrucksform aufzufangen und vielleicht zu einer sinnvollen, im Jetzt wurzelnden Deutung Katharinas zu kommen.